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Wirkungen des Weihrauchs

Was können Boswelliasäuren und Co?

Es wird ihr seit Jahrtausenden positive Wirkungen bei den unterschiedlichsten Krankheiten mit entzündlichem Hintergrund bescheinigt. Dennoch wurde die Heilpflanze erst in den 80er Jahren wieder für die moderne Medizin entdeckt. Seitdem wächst die Zahl von Indikationsgebieten bei denen eine Wirkung vermutet wird an. Bisher sind noch nicht alle der zahlreichen traditionellen Anwendungen wissenschaftlich begründbar. Für einige Indikationen wurde die positive Wirkung durch klinische Daten untermauert, während andere weniger systematisch anhand von Erfahrungsberichten oder in "in-vitro"-Versuchen untersucht wurden.

Grundlage einer Wirkung ist natürlich immer, dass der oder die Wirkstoffe bis zum Wirkort vordringen können. Diese Voraussetzung wird bei Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt für die Boswelliasäuren (eine Hauptgruppe der Wirkstoffe im Weihrauchharz) nachweislich erfüllt. Eine Aufnahme der Boswelliasäuren über die Haut erscheint ebenso plausibel, handelt es sich doch um gut fettlösliche Substanzen, die lipidhaltige (fetthaltige) Schichten, wie die Hornhaut gut überwinden können. Außerdem ist bei entzündlichen Hauterkrankungen die Hornhaut als kritische Barriere deutlich besser durchdringbar als bei gesunder Haut und dadurch wird es noch leichter für die Wirkstoffe an ihren Wirkungsort zu gelangen. Ein dritter Punkt, der für eine gute Verfügbarkeit der Inhaltsstoffe in entzündeter Haut spricht, ist die Tatsache, dass sich saure Substanzen wie die Boswelliasäuren in entzündetem Gewebe ansammeln, da dieses einen abgesenkten pH-Wert aufweist.

Hat Weihrauch eine entzündungshemmende Wirkung?

Den meisten Indikationen, bei denen Weihrauch-Extrakte in der modernen Medizin therapeutisch eingesetzt werden können, ist ein entzündlicher Hintergrund gemein. Entzündungen spielen sich in einem weit verzweigten Netzwerk ab, in dem eine Vielzahl von beteiligten Zellen (z. B. Monozyten/Makrophagen, Granulozyten, Lymphozyten, Mastzellen, Thrombozyten) über zahlreiche Botenstoffe (z. B. Prostaglandine, Leukotriene, Interleukine, Interferone, Histamin, TNFa, reaktive Sauerstoffspezies) miteinander kommunizieren. Hemmende und stimulierende Signale halten sich in gesundem Gewebe das Gleichgewicht. Durch äußere Reize, wie zum Beispiel Allergene oder Bakterientoxine, oder durch krankhafte Störungen, wie im Beispiel der rheumatoiden Arthritis kann dieses gesunde Gleichgewicht in Schieflage geraten. Die darauf in Bewegung gesetzten Entzündungskaskaden führen über viele Zwischenstationen zu den Leitsymptomen Schmerz, Rötung, Wärme, Schwellung und Funktionseinschränkung.

Chemisch definierte entzündungshemmende Wirkstoffe greifen in der Regel einen bestimmten Schritt eines Weges der Entzündungskaskade an; z. B. im Falle der Acetylsalicylsäure (z. B. Aspirin ®) wird die Cyclooxygenase gehemmt, ein Enzym, das für die Bildung der Fieber-, Entzündungs- und Schmerz-fördernden Prostaglandine zuständig ist.

Naturstoffgemische, um die es sich bei Weihrauch-Extrakten handelt, wirken oft auf unterschiedlichen Ebenen. So können z. B. mehrere Enzyme von unterschiedlichen Inhaltsstoffen gehemmt werden. Neben der Enzymhemmung können Inhaltsstoffe auch die Bildung von körpereigenen entzündungshemmenden Stoffen fördern.

Auch können manche Inhaltsstoffe erst die Wirkung des eigentlichen Wirkstoffs ermöglichen, indem sie seinen Transport an den Wirkort unterstützen. Außerdem können sich verschiedene Inhaltsstoffe auch antagonisieren, d. h. ein Inhaltsstoff hemmt die Wirkung eines anderen. Diese multifaktorielle Wirkweise vieler natürlicher Zubereitungen erschwert oft die Bestimmung der zu Grunde liegenden Wirkmechanismen, da zuerst alle an der Wirkung beteiligten Einzelstoffe mit ihrer Einzelwirkung bekannt sein müssen, um die Gesamtwirkung verstehen zu können. Und auch dann kann es noch zu zusätzlichen Wirkungen kommen, wenn alle Inhaltsstoffe zusammen spielen.

Untersuchungen zu den Wirkungen des Naturproduktes wurden hauptsächlich mit vollständigen Extrakten durchgeführt oder mit den isolierten ß-konfigurierten Boswelliasäurederivaten.

Der erste Anhaltspunkt für die antientzündliche Wirkung von Weihrauch war die Entdeckung der Hemmung der 5-Lipoxygenase durch verschiedene Boswelliasäuren (BA). Die 5-Lipoxygenase ist ein Enzym vieler entzündungsrelevanter Zellen wie Leukozyten, Granulozyten, Monozyten, Mastzellen und dendritische Zellen. Sie ist für die Produktion von Leukotrienen verantwortlich, die ihrerseits Rezeptoren aktivieren und schließlich zur Aktivierung von Granulozyten, Anlockung weiterer Entzündungszellen, Ausschüttung reaktiver Sauerstoffspezies und lysosomaler Enzyme führen. Letzten Endes wird dadurch die Entzündung ausgedehnt und auf Dauer das beteiligte Gewebe geschädigt. Obwohl eine Hemmung dieser Mechanismen besonders bei chronischen Entzündungen sehr hilfreich wäre, wird in der klinischen Praxis relativ selten von ihr Gebrauch gemacht, nicht zuletzt, weil sich entsprechende Medikamente bisher nicht durchgesetzt haben. Ein weiteres Problem ist, dass die Hemmung der 5-Lipoxygenase nicht der alleinige Grund für die entzündungshemmende Wirkung sein kann. In den Untersuchungen zeigten sich vor allem die 3-OH-11-keto-ß-boswelliasäure (KBA) und 3-O-Acetyl-11-keto-ß-boswelliasäure (AKBA) als wirkungsvollste Boswelliasäuren, jedoch kann bei oraler Aufnahme der Extrakte die Menge an diesen BAs nicht erreicht werden. Daher ist bei dieser Wirkung fraglich, ob sie einen Einfluss beim Menschen hat.

Man fand jedoch vor kurzem ein neues Enzym, bei dem die BAs eine Hemmung verursachen und diese Hemmung auch bei Tiermodellen nachgewiesen werden konnte.

Die mikrosomale Prostaglandin E2 Synthase-1 (mPGES-1) greift im Cyclooxygenase-Weg ein. Die Cyclooxygenasen sorgen für das Produkt (PGH2), das von der mPGES-1 dann in das Endprodukt Prostaglandin E2 (PGE2) verstoffwechselt wird. PGE2 spielt eine sehr wichtige Rolle bei entzündlichen Prozessen im Körper. Die BAs hemmen die mPGES-1 und dadurch wird weniger PGE2 gebildet. Somit kann die Entzündung gehemmt werden. Bisher ist diese Wirkung in Tierstudien nachgewiesen worden. Beim Menschen stehen diese Studien noch aus.
Ein weiterer Angriffspunkt von Boswelliasäuren und bestimmten Derivaten ist die Leukozytenelastase. Dieses Enzym dient der Zerstörung von aufgenommenen Fremdpartikeln in neutrophilen Granulozyten oder im Gewebe. Da die Elastase aber sehr unspezifisch arbeiten muss um die große Variationsbreite von möglichen Fremdproteinen erfassen zu können, zerstört sie auch körpereigene Proteine, was im Beispiel der rheumatoiden Arthritis zu einer Schädigung der Gelenke führt.

Inhaltsstoffe können auch in verschiedene Schritten der Signalübertragung innerhalb von Zellen (über Kinasen und Calcium-Mobilisierung) angreifen. Hier ist die Art des Eingriffs allerdings recht uneinheitlich. Je nach Zellart (z. B. Leukozyten oder Thrombozyten), Aktivierungsstatus der Zelle und Art der Boswelliasäure kann eine Hemmung oder Stimulation der Kinasen erfolgen. Dadurch ergibt sich z. B. eine Beeinflussung der Thrombozytenaggregation, der Zellvermehrung oder eine vermehrte Bereitstellung von Arachidonsäure, die wiederum zur Produktion von entzündungsfördernden Leukotrienen und Prostaglandinen benötigt wird.

Eine andere Richtung, in der Weihrauch Wirkung zeigt, ist die Wachstumshemmung von Tumorgewebe. Ein Angriffspunkt kann die Hemmung der Zellvermehrung durch Kinasenhemmung sein (s. o.). Ein weiterer ist die Hemmung der Topoisomerase, welche beim Kopiervorgang des Erbguts benötigt wird. Außerdem haben die Extrakte einen Einfluss auf Caspasen, die den programmierten Zelltod (Apoptose) der Tumorzelle verursachen können.

Zusammenfassend ist zu vermerken, dass die Inhaltsstoffe sehr verschiedenartige Angriffspunkte haben, wodurch sich die Wirkungen komplex überlagern können. In einigen Fällen ist der genaue Ablauf der Wirkungsmechanismen nicht bekannt, sondern nur die aus dem eigentlichen Eingriff resultierenden Folgen. Auch scheinen bisher bekannte Mechanismen nicht alle Wirkungen völlig zu erklären. So ist z. B. die Hemmung der 5-Lipoxygenase durch Boswelliasäuren in intakten Zellen deutlich stärker als in zellfreien Systemen, was auf einen zusätzlichen Mechanismus neben der 5-Lipoxygenasehemmung schließen lässt.